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Freedom Essay 4

 

Die „Instinkt gegen Intellekt“-Erklärung ist die
offensichtliche und echte Erklärung unseres
Zustands, wie all diese großen Denker beweisen

(das ist eine gekürzte Version von Freedom Essay 53)

 

Von Jeremy Griffith, 2018

 

In dieser Präsentation weist Jeremy Griffith darauf hin, dass er nicht die erste Person ist, die die Instinkt-gegen-Intellekt-Elemente identifiziert, die in der Entstehung des menschlichen Zustands involviert sind. Wie er enthüllt, hat es im Laufe der Geschichte viele Denker gegeben – in der Tat viele der anerkannten, großen Denker der Geschichte –die erkannt haben, dass die Antwort für unseren wütenden, egozentrischen und entfremdeten menschlichen Zustand darin liegt, zu verstehen, dass ein Zusammenstoß zwischen unseren bereits etablierten Instinkten und unserem, in jüngerer Zeit aufgekommenen, bewussten Verstand stattgefunden haben muss.

Schaut euch die Präsentation hier an:

 

 

Dieses Video erscheint auch als Video 4 der Einleitungsserie von Videos oben auf unserer Homepage unter www.humancondition.com/de.

 

Das Transkript dieses Videos

 

Hallo nochmal.Orange quote mark

 

Vorab, was ich jetzt präsentieren werde, ist im Grunde genommen eine kurze Zusammenfassung einer längeren Beschreibung, die ich in Freedom Essay 53 davon gebe, warum die Instinkt-gegen-Intellekt-Erklärung des menschlichen Zustands (die ich gerade im vorherigen Video/​Essay beschrieben habe), die offensichtliche und echte Erklärung unseres Zustands ist.)

 

TEIL 1 Denker des Altertums, die den Konflikt zwischen unseren moralischen Instinkten und unserem bewussten Verstand erkannt haben, und Bonobos als Beweis dafür, wie wir unsere moralischen Instinkte erworben haben

 

Ich bin nicht die erste Person, die die Instinkt-gegen-Intellekt-Elemente identifiziert, die in der Entstehung unseres menschlichen Zustands involviert sind. Wie ich in den Kapiteln 2:6 und 2:7 meines Buches FREEDOM: The End Of The Human Condition beschreibe, gab es im Laufe der Geschichte viele Denker – in der Tat viele der anerkannten, großen Denker der Geschichte – die erkannt haben, dass die Antwort für unseren wütenden, egozentrischen und entfremdeten menschlichen Zustand darin liegt, zu verstehen, dass ein Zusammenstoß zwischen unseren bereits etablierten Instinkten und unserem, in jüngerer Zeit aufgekommenen, bewussten Verstand stattgefunden haben muss.

 

 

Der „Doppelschlag“-Effekt davon, moralische Instinkte zu haben

Vor dem Präsentieren der Arbeit einiger dieser Denker möchte ich darauf hinweisen, dass alles was nötig ist, damit ein psychologisch verstörter Zustand in einer Spezies entsteht, ist, dass sie völlig bewusst wird, denn diese selbstregulierende Fähigkeit wird natürlich den uneinsichtigen, intoleranten, diktatorischen Instinkten trotzen müssen. Es spielt keine Rolle, was die besondere Orientierung der Instinkte der Spezies ist, die Tatsache, dass Instinkte uneinsichtig sind, bedeutet, dass ein verstörender Zusammenstoß mit dem, auf Einsicht basierten, selbstregulierenden, bewussten Verstand stattfinden muss. Also unabhängig von der instinktiven Orientierung einer Spezies, wenn sie einen völlig bewussten Verstand entwickelt, muss eine verstörende Schlacht zwischen den Instinkten und dem bewussten Verstand stattfinden.

Wichtig ist jedoch, dass das nicht bedeutet, dass die besondere Orientierung der Instinkte einer Spezies keine Auswirkung auf den Zusammenstoß mit einem bewussten Verstand haben kann. Sie kann ihn sehr stark beeinflussen, wie sie es getan hat, als wir Menschen völlig bewusst wurden. Wie im zweiten Video/​Essay dieser Serie darauf hingewiesen wurde, haben wir Menschen kooperative, selbstlose und liebevolle moralische Instinkte, deren Stimme oder Ausdruck wir unser Gewissen nennen. Charles Darwin erkannte unsere unverwechselbare moralische Natur, als er schrieb, „daß, von allen Unterschieden zwischen dem Menschen und den niederen Thieren das moralische Gefühl oder das Gewissen weitaus der bedeutungsvollste ist.“ (Die Abstammung des Menschen, 1871; Übers. J. V. Carus, 1871, S. 67 von 356). Was so bedeutend daran ist, dass Menschen kooperative, selbstlose und liebevolle moralische Instinkte haben, ist, dass als wir völlig bewusst wurden, und begannen mit Verständnis zu experimentieren, und von unseren Instinkten kritisiert wurden und unweigerlich auf eine wütende, egozentrische und entfremdete Art antworteten, diese zwiespältige Antwort sogar noch größere Kritik unserer Instinkte verursachte, weil diese von uns erwarteten, dass wir uns kooperativ, selbstlos und liebevoll verhalten. Auf unserer notwendigen Suche nach Verständnis wurden wir zuerst zu Unrecht verurteilt, weil wir unseren Instinkten trotzten, und dann noch einmal, weil wir auf diese Verurteilung auf eine Art reagiert haben, die widersprechend und beleidigend gegenüber unseren Instinkten war. Wir mussten einen „Doppelschlag“ der Kritik ertragen, als wir bewusst wurden! (Dieser besondere „Doppelschlag“-Effekt davon, moralische Instinkte zu haben, wird in F. Essay 24 und ausführlich in Kapitel 3:5 von FREEDOM beschrieben.)

Und wie ich in Kürze viel mehr darüber sprechen werde, ist der schreckliche „Doppelschlag“ des Schmerzes unseres bewussten Verstands darüber, die speziellen moralischen Instinkte unserer Spezies verletzt zu haben, der Hauptgrund für die zugrundeliegende Frustration und Wut in unserem Verhalten, und auch für die immense Schuld und Unsicherheit, die es notwendig gemacht hat, die offensichtlich unehrliche Ausrede der „wilden Instinkte“ anzunehmen, die ich in Video/​Essay 2 beschrieben habe.

 

Denker des Altertums, die den moralische-Instinkte-gegen-bewussten-Verstand-Ursprung des menschlichen Zustands erkannt haben

Nachdem erklärt wurde, dass der Konflikt zwischen den Instinkten und dem Intellekt im Fall unserer Spezies sehr durch unsere kooperativen, selbstlosen und liebevollen moralischen Instinkte verstärkt wurde, möchte ich jetzt das Erkennen dieses Konflikts durch einige der größten Denker des Altertums präsentieren (später werde ich ähnliche Denker der heutigen Zeit erwähnen).

 

Statue of ‘Moses’ by Michelangelo, San Pietro in Vincoli, 1513-15
Cover of ‘The Bible’

Moses wie von Michelangelo dargestellt, mit den Hörnern als Symbol dafür, dass er
mit Gott sprechen konnte, die Wahrheit des integrativen Sinns des Lebens konfrontieren konnte.
(Der integrative Sinn und seine Personifizierung als „Gott“ ist in F. Essay 23 erklärt.)

 

Ich habe in meiner vorherigen Präsentation bereits die 3500 Jahre alte Geschichte von Adam und Eva des großen hebräischen Propheten Moses erwähnt, die Adam und Eva als in einem Garten-Eden-Zustand ursprünglicher Unschuld lebend beschreibt (die Beschreibung des Wortes „Edenic“ im Wörterbuch lautet „das erste Zuhause von Adam und Eva…​ein Zustand von Unschuld, Glückseligkeit oder ultimativer Freude“ (The Free Dictionary; Übers. WTM Austria, 2019)), und wie sie dann die Frucht vom Baum der Erkenntnis nahmen, was offensichtlich bedeutet, dass sie bewusst wurden, an welchem Punkt sie Leidende des zwiespältigen Verhaltens oder der „Sünde“ wurden. Das ist also eine Anerkennung, dass wir einst kooperativ und liebevoll lebten und dann bewusst wurden und scheinbar den Faden verloren haben, indem wir „böse“, schuldige, konkurrierende und aggressive Sünder wurden, die die „Verbannung“ aus dem Garten Eden verdienen.

Gewiss, was in Moses Darstellung fehlt, ist die entscheidend erlösende Erklärung WARUM uns das Suchen nach Wissen wütend, egozentrisch und entfremdet gemacht hat, was, wie ich in meiner vorherigen Präsentation betonte, die Wissenschaft seither mit ihrer Entdeckung vom Unterschied der Art und Weise wie Gene und Nerven funktionieren, möglich gemacht hat – nämlich, dass während Gene einer Spezies Orientierungen geben können, Nerven Ursache und Wirkung verstehen müssen. Alle Elemente, die an der Erzeugung des menschlichen Zustands von moralischen Instinkten, die mit dem Verstand uneins sind, involviert sind, sind in Moses Geschichte von Adam und Eva enthalten.

 

American journalist and educator, Richard Heinberg giving a public presentation

Richard Heinberg (1950– )

Richard Heinberg’s book ‘Memories and Visions of Paradise’

 

Ähnliche Anerkennungen der vergangenen kooperativen und liebevollen Existenz unserer Spezies, die korrupt wurde als wir bewusst wurden, können in anderen Religionen gefunden werden. Zum Beispiel, der Zen-Buddhismus spricht vom Verlust eines unverseuchten, reinen Zustands als Resultat des intervenierenden bewussten Verstands, Bezug nehmend auf „affektive Verseuchung (klesha)“ oder „das Dazwischentreten des vom Verstande beherrschten Bewusstseins (vijnana)“ (Erich Fromm, D. T. Suzuki, Richard de Martino, Zen-Buddhismus und Psychoanalyse, 1960; Übers. M. Steipe, 1963, S. 32 von 226). Und taoistische Schriften zeigen eine Beschreibung unserer fernen Vorfahren als „die Menschen von vollkommener Tugend“ (Bruce Chatwin, Traumpfade, 1987; Übers. A. Kamp, 1992, S. 383 von 544). In der Tat, wie der amerikanische Autor Richard Heinberg in seinem Buch Memories & Visions of Paradise hervorhebt, hat jede menschliche Kultur einen Mythos, der sowohl die Entstehung des Bewusstseins, als auch einen „Fall“ von einem ursprünglichen „Goldenen Zeitalter“ der Zusammengehörigkeit und des Friedens beinhaltet. Wie Heinberg in der zweiten Edition (1990) seines Buches zusammenfasste, „Jede Religion beginnt mit dem Erkennen, dass das menschliche Bewusstsein von der göttlichen Quelle getrennt wurde, dass ein früheres Gefühl der Einheit…verloren gegangen ist…überall in Religion und Mythos gibt es eine Anerkennung, dass wir abgewichen sind von einer ursprünglichen…Unschuld und nur durch die Auflösung einer tiefgreifenden inneren Uneinigkeit zurückkehren können…die Ursache des Falls wird unterschiedlich als Ungehorsam beschrieben, wie das Essen einer verbotenen Frucht [vom Baum der Erkenntnis], und als spirituelle Amnesie [Vergessen, Ausblenden, Entfremdung/Psychose] (S. 8182 von 282; Übers. WTM Austria 2019). Nochmals, diese „Auflösung einer tiefgreifenden inneren Uneinigkeit“ zwischen unserem „getrennt[en]“ „ursprünglichen“ Zustand der „Unschuld“ und unserem „bewusst[en]Verstand hing davon ab, dass die Wissenschaft Einblick darin bietet, wie Gene und Nerven funktionieren.

 

Detail of a mosaic by Monnus of Hesiod, 3rd century; in the Rhenish State Museum, Trier, Ger.

Hesiod,
aus dem Monnus-Mosaik, ca. 200

Painting of Prometheus cries out in pain as an eagle begins to eat his liver in ‘The Torture of Prometheus’ by Gioacchino Assereto

The Torment of Prometheus
von Gioacchino Assereto, ca. 1630

 

Später in F. Essay 53, das, wie ich erwähnt habe, eine längere und vollständigere Präsentation darüber ist, was ich in diesem Vortrag erkläre, inkludiere ich Heinbergs Beschreibungen vieler dieser kulturellen Mythen und religiösen Lehren, welche die Elemente der „naiven, unschuldigen, kooperativen und liebevollen Instinkte gegen einen neu entwickelten selbstregulierenden bewussten Intellekt“ des menschlichen Zustands erkennen – von den Sumerern zu den Babyloniern zu den Persern, zu den Hebräern, Ägyptern, Afrikanern, Hindus, Amerikanern, Chinesen, Römern und Griechen. Als ein Beispiel, im Fall der antiken Griechen, zitiert Heinberg den sehr großen griechischen Dichter Hesiod, der ungefähr 800 v. Chr. über die vorbewusste Zeit unserer Spezies schrieb (das Unterstrichene ist meine Betonung): „Du aber präge dir ein, daß Götter und sterbliche Menschen vom gleichen Ursprung herstammen. Als goldenes schufen zuerst die Unsterblichen, die im olympischen Haus wohnen, das Geschlecht der redenden Menschen. Diese…​führten ihr Leben wie Götter, hatten leidlosen Sinn und blieben frei von Not und Jammer; nicht drückte sie schlimmes Alter, sie blieben sich immer gleich an Füßen und Händen, lebten heiter in Freuden und frei von jeglichem Übel und starben wie von Schlaf übermannt. Herrlich war ihnen alles, von selbst trug ihnen die kornspendende Erde Frucht in Hülle und Fülle. Sie aber taten ihre Feldarbeit nach Gefallen und gemächlich und waren mit Gütern gesegnet.“ (Werke und Tage; Übers. O. Schönberger, 2004, S. 1113 von 119) Also ja, sie hatten keinen beunruhigten bewussten Verstand, und sie lebten ein miteinander teilendes, sanftmütiges Leben.

Hesiod gab auch wieder, wie dieses „Goldene Geschlecht“ zu einem Ende kam, als er erzählte wie Prometheus Feuer – das, wie ich in Kürze erklären werde, Bewusstsein repräsentiert – von seinen Mitgöttern stahl und es den Menschen für deren Gebrauch gab, ein Akt, der die Götter erzürnte, und Zeus im Speziellen, der sich rächte und „Denen…​für das [gestohlene] Feuer ein Übel [ge]geben“ (ebd. S. 9) hat. Zeus bestrafte Prometheus, indem er ihn an die Spitze eines Berges festband und jeden Tag auf ewig, „sandte er ihm einen Adler mit mächtigen Schwingen; der fraß die unsterbliche Leber“ (Theogonie; Übers. O. Schönberger, 2002, S. 45 von 165). Und die Menschheit bestrafte er mit der Erschaffung der berüchtigten Frau Pandora, die eine große „Büchse“ mit einer Vielzahl von „Übel[n]öffnete, so dass „verderbliche Übel in Unzahl, schweift bei den Menschen umher; voll ist ja die Erde von Plagen, voll das Meer, und Krankheiten befallen die Menschen“ (Werke und Tage; S. 11). Zeus Bestrafung für Prometheus Diebstahl des Feuers beendete das „Goldene Geschlecht“; wo sie zuvor „fern von Übeln, elender Mühsal und quälenden Leiden [waren, bis eine Situation entstand in der quälende Leiden den] Menschen den Tod bringen [nur zu bald nämlich altern Menschen im Unglück]“ (ebd. S. 11). Hesiod berichtet dann über seine fünf Geschlechter von Menschen – nach dem gerade erwähnten „Goldenen Geschlecht“ der Unschuld kam das „Silberne Geschlecht“, in dem es noch immer etwas Unschuld gab, dann das „Geschlecht aus Eschen“, in dem Männer knallhart und kriegerisch waren, dann das zivilisierte „Geschlecht der Heroen“, und dann schließlich sein eigenes Geschlecht, das völlig korrupte „Geschlecht aus Eisen“, wo sich das „Unglück“ bis zu dem Punkt verschlimmerte, an dem Hesiod schreit: „Lebte ich doch nun nicht beim fünften Geschlecht von Menschen, wäre ich zuvor gestorben oder später geboren! Jetzt nämlich ist das Geschlecht wahrlich von Eisen; nie ruhen sie aus am Tag von Mühe und Leid, und selbst bei Nacht nicht endet die Mühsal; schlimme Sorgen werden ihnen die Götter verhängen“ (ebd. S. 17). Im Licht dessen, was offenbart worden ist, können wir jetzt verstehen, dass das Feuer in dieser Geschichte die Metapher für den bewussten Intellekt ist (wie es das in vielen Mythologien ist; tatsächlich bedeutet „Prometheus“ wörtlich „der Vorausdenkende“), und dass die Konsequenzen davon, dass die Menschen einen bewussten Verstand erlangten, „Übel in Unzahl“ und „Unglück“ waren, was erklärt, warum Prometheus von den Göttern bestraft wurde – in ihren Augen war sein Geschenk des Bewusstseins für die Menschen verantwortlich für das „Verhäng[nis] der menschlichen Rasse, für unser Zerwürfnis mit den göttlichen Idealen.

Also, die Elemente einer ursprünglichen moralischen instinktiven Orientierung, die dann in einen Konflikt mit einem bewussten Verstand geriet, waren in diesen Mythen aus dem antiken Griechenland enthalten, aber natürlich, wie zu Zeiten Moses, existierte die Wissenschaft nicht, die es möglich machen würde, den erlösenden, guten Grund zu erklären, WARUM dieser Konflikt entstand.

 

Sculpted bust of Plato, ancient Greece philosopher, by Silanion c. 370 BCE for the Academia in Athens. Preserved in the Capitoline Museum, Rome.

Platon (ca. 428348 v. Chr.)

Plato’s ‘Phaedrus’ book cover

 

Platon ist wie Hesiod ein weiterer sehr großer Denker aus dem antiken Griechenland. In der Tat, Alfred North (A. N.) Whitehead, selbst einer der am höchsten angesehenen Philosophen des zwanzigsten Jahrhunderts, hat beschrieben, dass die Geschichte der Philosophie lediglich „aus einer Reihe von Fußnoten zu Platon besteht“ (Prozeß und Realität, 1929; Übers. H. G. Holl, 1979, S. 91 von 665). Da Philosophie das Studium „der Wahrheiten, die der gesamten Realität zugrunde liegen“ (Macquarie Dictionary, 3. Ausgabe, 1998; Übers. WTM Austria, 2019) ist, und Platon der Meister dieses Studiums der Wahrheiten, die der gesamten Realität zugrunde liegen, war, können wir annehmen, dass Platon auch die moralische-Instinkte-gegen-bewussten-Intellekt-Elemente des menschlichen Zustands erkannte, was er gewiss tat. 360 v. Chr. gab er diese außergewöhnlich ehrliche Beschreibung der vorbewussten Zeit unserer Spezies in Unschuld: „Damals…​als wir…​den seligen und göttlichen Anblick schauten und mit jener Weihe geweiht wurden, die man als die glückseligste bezeichnen darf. Diese feierten wir, selbst noch ohne Fehl und unberührt von den Übeln, die unser in späterer Zeit warteten, und von fehlerlosen, einfachen, unwandelbaren und beglückenden Gesichten wurden wir geweihte Zeugen, in reinem Glanze selbst rein seiend und unbelastet von dem, was wir heute als Leib bezeichnen und mit uns herumtragen, wie in eine Art Muschel eingeschlossen.“ (Phaidros; Übers. R. Rufener, 1974 in Meisterdialoge, S. 219 von 267). Platon gab auch diese andere ehrliche Beschreibung unseres unschuldigen „Goldenen Geschlechts/​Zeitalters“ in der Vergangenheit unserer Spezies, indem er von einer Zeit schreibt, „wo den Menschen alles von selbst geworden ist…​so daß keines wild liebte und keines dem anderen zur Nahrung dienen mußte; auch gab es keinen Krieg und überhaupt keine Zwietracht…​Die Gottheit selbst weidete sie und war ihr Aufseher [unser ursprüngliches instinktives Selbst war dazu orientiert, auf ideale kooperative, liebevolle Weise zu leben]…​unter seiner Hut gab es aber keine staatlichen Einrichtungen und keinen Eigenbesitz an Weibern und Kindern; denn alle wuchsen aus der Erde hervor zum Leben und hatten keine Erinnerung an das Frühere [wir lebten in einem vorbewussten Zustand]…​doch fanden sie reichliche Früchte von den Bäumen und was der Wald sonst alles bot, nicht als Erzeugnisse des Ackerbaus, sondern was die Erde von sich aus hervorbrachte. Ohne Kleider und ohne Betten lebten sie meistens im Freien; denn der Wechsel der Jahreszeiten brachte ihnen keine Beschwerde, hatten sie doch weiche Ruhestätten auf dem Gras, das üppig aus der Erde wuchs.“ (Der Staatsmann, ca. 350 v. Chr.; Übers. R. Rufener, 1965 in Spätdialoge, S. 249250 von 426)

Beim Beschreiben der Entstehung des Bewusstseins und dessen Korruption unserer liebevollen, moralischen Instinkte, verwendete Platon ein Gleichnis eines zweispännigen Pferdewagens, indem der bewusste Verstand „mit heftigen Sprüngen dahin[‚stürzt‘], und…​seinen Gespanen [unseren kooperativen und liebevollen moralischen Instinkten] in die größte Schwierigkeit versetzt…​[und] zu etwas Schlimme[n] und Gesetzwidrige[n] [‚zwingt‘] (Phaidros, S. 224225). Und woanders hat Platon auch beschrieben, wie Menschen nach dem Entstehen des Bewusstseins „selbst die eigene Führung und den Schutz übernehmen mußten“ (Der Staatsmann, S. 254), „nachdem sie sich aber von ihm abgesondert ha[ben], führ[en] sie jeweils kurz nach der Trennung [als die korrupte Beschaffenheit des menschlichen Zustands auftauchte]…​alles noch aufs beste durch [unser Intellekt hat sich meist unseren Instinkten gefügt]; wenn aber die Zeit vorrückt und sich das Vergessen in ihr einstellt [mehr und mehr unehrliche Verleugnung mit ihrer entfremdeten Trennung von unserem instinktiven moralischen Selbst, da dieses uns mehr und mehr kritisierte]…​dann macht sie ein Gemisch aus wenig Gutem und viel von dessen Gegenteil und bringt damit sich selbst und alles, was sich auf ihr befindet, in Gefahr, vernichtet zu werden“ (ebd. S. 252). Und das ist die Situation, in der wir heute angekommen sind, in der die Verstörung in Menschen jetzt so groß ist, dass wir der „Vernicht[ung] der Welt gegenüberstehen!

Da Platon offensichtlich zu einer Zeit lebte, in der die Wissenschaft noch entwickelt werden musste, war er wie Moses und Hesiod auch, außerstande den erlösenden, Instinkte-können-orientieren-aber-nur-Nerven-können-verstehen, guten Grund zu liefern, WARUM wir davon „fehllos“ zu sein abgewichen sind und scheinbar, wie er es beschrieben hat, zu „dessen Gegenteil“, schlechten Menschen wurden.

 

 

 

Bonobos beweisen unser behütetes, kooperatives und liebevolles Erbe

Da es wahrscheinlich eine sehr dringende Frage in eurem Verstand ist, dem der Zuhörer/​Leser, werde ich jetzt kurz erklären, wie unsere fernen Affenvorfahren dazu kamen, in einem kooperativen und liebevollen instinktiven Zustand zu leben. Tatsächlich war diese Frage, wie wir Menschen unser moralisches instinktives Selbst oder unsere Seele erlangt haben, eine der großen ungeklärten biologischen Fragen. Und der Grund, warum es für uns Biologen eine derart große Frage war, ist, weil wir wissen, dass Gene normalerweise nicht für bedingungslos selbstlose, völlig kooperative Merkmale selektieren können, schlichtweg weil solche Merkmale dazu neigen, sich selbst zu eliminieren und sich daher normalerweise nicht in einer Spezies etablieren können – „Auf jeden Fall, du kannst mir gegenüber selbstlos sein und deine Gene für mich opfern, aber ich werde dir gegenüber nicht selbstlos sein und meine Gene für dich opfern.“ Der Prozess der natürlichen Selektion diktiert, dass selbstsüchtiger Opportunismus Selbstlosigkeit angeblich immer ausnutzen wird. Also, wie konnte so ein selbstsüchtiger Prozess eine derart liebevolle Selbstlosigkeit in uns erschaffen? Wie in F. Essay 21 erklärt wird, die Art und Weise, wie sie bei unseren Vorfahren erreicht wurde, war durch Behüten.

Um zu erklären, was so bedeutsam am Behüten einer Mutter ihres Nachwuchses ist, muss ich zunächst darauf hinweisen, dass der mütterliche Instinkt einer Mutter, sich um ihre Kinder zu kümmern, selbstsüchtig ist, weil sie die Reproduktion ihrer Gene sicherstellt, indem sie sich um ihren Nachwuchs kümmert, der ihre Gene trägt. Mutterliebe ist also ein selbstsüchtiges Merkmal, was, wie ich gerade gesagt habe, genetische Merkmale normalerweise immer sein müssen, damit sie sich reproduzieren und in die nächste Generation weitergetragen werden. JEDOCH, und das ist von entscheidender Wichtigkeit, aus der Perspektive des Kleinkindes erweckt Mutterliebe den Anschein selbstlos zu sein. Aus der Perspektive des Kleinkindes, wird es bedingungslos selbstlos behandelt – die Mutter gibt ihrem Nachwuchs Nahrung, Wärme, Unterschlupf, Unterstützung und Schutz für scheinbar nichts im Gegenzug dafür. Daraus folgt, dass, wenn das Kleinkind für einen längeren Zeitraum in der Kindheit verbleibt und mit viel scheinbar altruistischer Liebe behandelt wird, es mit dieser selbstlosen Liebe indoktriniert wird und heranwächst, um sich entsprechend zu verhalten. Wie in F. Essay 21 viel detaillierter beschrieben wird, kann selbstsüchtige Mutterliebe ein Kleinkind in altruistischer Selbstlosigkeit trainieren.

Und wenn wir über Primaten nachdenken, die halb aufrecht sind, weil sie in Bäumen leben und deshalb die Arme frei haben, um ein abhängiges Kleinkind zu halten, ist es klar, dass es ihnen besonders erleichtert wird, die Mutter-Kleinkind-Beziehung zu unterstützen und zu verlängern, und somit dieses behütete, liebevolle, kooperative Verhalten zu entwickeln. Und in der Tat, die Bonobo-Art von Schimpansen, die südlich des Kongo in Afrika leben, sind außerordentlich matriarchalisch bzw. auf die weibliche Rolle fokussiert und außerordentlich behütend, wie die folgenden Fotos zeigen, und als Resultat daraus sind Bonobos die kooperativsten und liebevollsten aller Primaten, was die folgenden Zitate beweisen. Und Bonobos sind auch unsere engsten lebenden Verwandten, da wir 98,7% unserer DNA mit ihnen teilen. Wir können also sehen, dass Bonobos den perfekten Beweis dafür liefern, wie unsere fernen Affenvorfahren kooperativ und liebevoll wurden.

 

Collage of adult bonobo and infant dancing, adult with infant on her feet, and adults being gentle and loving to infant bonobos

Bonobos beim Behüten ihrer Kleinkinder

 

Zitate, die die außerordentlich liebevolle Natur von Bonobos veranschaulichen.

 

Quote from Zookeeper Barbara Bell about Bonobos’ compassion. German translation.

Bonobo-Zoowärterin Barbara Bell

Bonobo quote by Sue Savage-Rumbaugh about the central role of nurturing in bonobo society. German translation.

Primatologist Sue Savage-Rumbaugh

 

Quote on Bonobo compassion from French Docmentary. German translation.

Filmemacher der französischen
Dokumentation Bonobos

Bonobo quote by Vanessa Woods about bonobos capacity for love. German translation.

Bericht aus erster Hand der Bonobo-Forscherin Vanessa Woods über die grenzenlose Fähigkeit von Bonobos zu Liebe aus ihrem Studium der Bonobos in ihrem Zuhause im Kongobecken

 

Ihr könnt viel mehr über die wunderbar behütete Hilfsbereitschaft
im Leben von Bonobos in F. Essay 21 lesen.

 

Das folgende Bild einer Gruppe von Bonobos, die in einer grasigen Lichtung ruhen, entspricht perfekt der Beschreibung, die Platon zuvor über das Leben der Menschen des „Goldenen Zeitalters“ vom behüteten Zusammensein gegeben hat: „Ohne Kleider und ohne Betten lebten sie meistens im Freien; denn der Wechsel der Jahreszeiten brachte ihnen keine Beschwerde, hatten sie doch weiche Ruhestätten auf dem Gras, das üppig aus der Erde wuchs.“ Wir haben eindeutig eine perfekte instinktive Erinnerung (wenn wir uns nicht dazu entscheiden, sie zu verleugnen), wie das Leben vor dem „Sündenfall“ war, da Platon nichts von der Existenz von Bonobos wusste und dennoch genau wusste, wie unser Bonobo-ähnliches Leben vor dem „Sündenfall“ gewesen ist.

 

A group of Bonobos relaxing close to each other on green grass.

 

Eure nächste Frage mag vielleicht sein, „Aber warum habe ich bis jetzt noch nicht von dieser einleuchtend offensichtlichen Erklärung vom Behüten für die moralische Natur des Menschen gehört?“ Nun, genau wie die offensichtliche Wahrheit, dass unsere Spezies einst kooperativ und liebevoll gelebt hat, war diese Wahrheit, dass wir unsere moralischen Instinkte durch Behüten erworben haben, eine unerträgliche Wahrheit, während wir nicht erklären konnten, warum wir Menschen so konkurrierend und aggressiv wurden und als ein Resultat daraus, die Fähigkeit verloren haben, unseren Nachwuchs angemessen mit bedingungsloser Selbstlosigkeit oder Liebe zu behüten. Die Wahrheit der paradiesisch kooperativen, unschuldigen und liebevollen Vergangenheit unserer Spezies, sowie die Wahrheit, dass es Behüten war, das uns zu Menschen gemacht hat, waren beides Wahrheiten, die unmöglich zu akzeptieren waren, während wir den menschlichen Zustand nicht wahrheitsgemäß erklären konnten, erklären warum unsere Spezies korrupt wurde und die Fähigkeit verloren hat, unseren Nachwuchs in vollem Maße zu behüten. Wie beobachtet wurde, „Eltern würden eher zugeben, ein Axtmörder zu sein, als eine schlechte Mutter oder ein schlechter Vater“ (Sunday Life Mag. Sun-Herald, 7. Juli 2002; Übers. WTM Austria, 2019)!

 

Nochmals, F. Essay 21 beschreibt, wie uns Behüten unsere moralischen Instinkte gab – und auch welcher Wissenschaftler es wagte, das zuzugeben.

 

 

TEIL 2 Die Quelle des vulkanischen Ärgers in Menschen und warum wir die Ausrede der „falschen Instinkte“ verwenden mussten

 

Ich möchte nun diese Präsentation von Denkern, die die Instinkt-gegen-Intellekt-Elemente unseres menschlichen Zustands erkannt haben, unterbrechen, um erstens mehr über den „Doppelschlag“-Effekt durch das Beleidigen unserer moralischen Instinkte zu sprechen, und zweitens darüber, warum wir keine andere Wahl hatten, als die falsche Ausrede der „wilden Instinkte“ zu verwenden.

 

Woher der vulkanische Ärger in Menschen gekommen ist

Was ich dem hinzufügen möchte, was ich über den „Doppelschlag“ gesagt habe, den wir bewusste Menschen ertragen mussten (darüber, verurteilt zu werden, weil wir unseren Instinkten getrotzt haben und dann noch einmal, weil wir auf diese Verurteilung auf eine wütende, egozentrische und entfremdete Art reagiert haben, was unsere besonderen moralischen Instinkte weiter beleidigte), sind die Konsequenzen, niemals akzeptiert zu haben, dass wir all diese Verurteilung verdient haben. Tatsächlich war das, was uns durch die 2 Millionen Jahre weitermachen ließ (was die wahrscheinliche Zeit ist, seit wir Menschen völlig bewusst sind), in denen wir mit dieser schrecklichen Verurteilung leben mussten, dass wir immer intuitiv geglaubt haben, dass es einen Grund für unseren korrupten Zustand geben musste und, dass wir eines Tages diese erlösende und psychologisch befreiende Erklärung finden würden – die, wie ich behaupte, wir jetzt endlich gefunden haben.

Wenn wir über das Ausmaß der Ungerechtigkeit dieser Situation nachdenken, in der wir für rund 2 Millionen Jahre als böse, Unschuld-zerstörende, Garten-Eden-auslöschende, korrupte Monster von der ganzen Welt verurteilt wurden, während wir die ganze Zeit über nicht geglaubt haben, dass wir es waren, aber nicht erklären konnten warum, können wir sehen, woher all die vulkanische Frustration und dämonische Wut in uns Menschen gekommen ist.

 

A collage showing examples of the volcanic anger in humans: Nazi rally; skulls from Pol Pot regime; Klu Klux Klan; wartime execution

 

Stellt euch vor nur einen Tag mit der Ungerechtigkeit zu leben, als böse, schlecht und wertlos verurteilt zu werden, wenn ihr intuitiv gewusst habt, aber nicht dazu in der Lage wart zu erklären, dass ihr tatsächlich das genaue Gegenteil seid, nämlich wahrhaft wundervoll, gut und bedeutungsvoll – tatsächlich, wie sich herausstellt, die Helden der gesamten Geschichte des Lebens auf Erden! Wie gequält – wie immens verstört – würdet ihr am Ende dieses einen Tages sein? Ihr wärt bis in den Kern verletzt und wütend! Rechnet diese Erfahrung also hoch auf über 2 Millionen Jahre und ihr könnt zu würdigen beginnen, wie viel vulkanische Frustration und Wut jetzt in uns Menschen existieren muss! Während wir gelernt haben, das gewaltige Ausmaß an Verstörung in uns deutlich zurückzuhalten und zu verbergen – zu „zivilisieren“ – muss unsere Spezies unter der Oberfläche vor Wut kochen, und manchmal, wenn unsere Zurückhaltung keinen Weg mehr findet ihr Einhalt zu gebieten, muss diese Wut sich Ausdruck verleihen – daher unsere Fähigkeit zu schockierenden Handlungen von Grausamkeit, Sadismus, Hass, Mord und Krieg. Kein Wunder also, dass wir eine derart ausweichende, Verleugnung-praktizierende, lügende, die Wahrheit unseres korrupten Zustands um jeden Preis vermeidende, eskapistische, oberflächliche und künstliche, gierige Existenz geführt haben, in der wir uns selbst mit materiellem Reichtum erstickt haben, während es uns an spirituellem Reichtum des mitfühlenden Verständnisses von uns selbst mangelte, und wir nach Macht, Ruhm, Reichtum und Ehre suchten.

 

Images showing: a winning sports team; a pile of money; a luxury sports car; and a lavish house

 

Wir sind wirklich psychologisch bekümmerte Kreaturen – aber jetzt können wir uns letztendlich selbst erklären und die Psychose beenden. Das Wort „Psychiatrie“ bedeutet wörtlich „Seelenheilung“ (es leitet sich ab aus Psyche, was „Seele“ („psyche“ in Penguin Dictionary of Psychology, Ausgabe aus 1985) bedeutet, und Iatreia, was „Heilung“ („iatreia“ in The Encyclopedic World Dictionary) bedeutet), doch niemals zuvor waren wir dazu in der Lage „unsere Seele zu heilen“, unserem ursprünglichen instinktiven Selbst bzw. unserer Seele zu erklären, dass unser völlig bewusstes, denkendes Selbst gut ist und nicht schlecht und somit unser gespaltenes Selbst wieder zusammenzuführen und zu heilen. Der Psychoanalytiker Carl Jung hat immer gesagt, „die Ganzheit der Menschen hängt von der Fähigkeit ab, unseren eigenen Schatten anzuerkennen“ (Übers. WTM Austria, 2019) – nun, letztendlich können wir uns selbst lieben. Jeder kann jetzt aus der Kälte kommen. Tiefe, bis in die Knochen entlastende Erleichterung kommt endlich zur menschlichen Rasse!

 

Warum wir die falsche Ausrede der „wilden Instinkte“ verwenden mussten

Die Ungerechtigkeit unserer Situation verursachte nicht nur vulkanische Frustration und Ärger in uns, die astronomische Scham, Schuld und Unsicherheit darüber, scheinbar abscheuliche, böse, Unschuld-zerstörende Kreaturen zu sein, machte es außerdem notwendig, dass wir irgendeine Ausrede für unseren korrupten Zustand finden, während wir nach dem echten Grund dafür gesucht haben – und hierbei kam uns die offensichtlich falsche Ausrede der „wilden Instinkte“ zur Rettung.

Um die Qual unseres menschlichen Zustands voll würdigen zu können, müssen wir damit weitermachen, uns in den vollen Horror unserer Zwangslage zu vertiefen. Wenn unsere Spezies einmal in einem wundervoll kooperativen, selbstlosen und liebevoll friedlichen Zustand lebte, wie die großen Denker, die ich gerade erwähnt habe, erkannten, dass wir es taten, wie extrem müssen wir uns dann für unseren korrupten Zustand schämen? Die Frage, die danach schreit, beantwortet zu werden, ist „Warum um alles in der Welt wären wir nur so scheinbar dumm gewesen, von so einer wundervollen Existenz abgewichen zu sein? Wie sollten wir den sogenannten „Fall in Ungnade“ unserer Spezies erklären; warum sind wir von unserer ursprünglichen paradiesischen kooperativen und liebevollen moralischen instinktiven Lebensweise abgekommen und wurden zu brutalen aggressiven Kriegstreibenden, egomanischen Konkurrenten und psychotischen und neurotischen Verrückten? Warum haben wir das Paradies zerstört, Utopie in Dystopie verwandelt!?“ Das ist unsere schreckliche Zwangslage gewesen: wie um alles in der Welt könnten wir diesen scheinbaren Akt des Wahnsinns nur erklären und rechtfertigen. Obwohl wir intuitiv nicht geglaubt haben, dass es wahr ist, die scheinbar unwiderlegbare Implikation aus unserem Verhalten ist gewesen, dass wir böse Monster sind?!

Es ist klar, dass der Versuch mit der Implikation zu leben, dass wir böse, wertlose Monster sind, unerträglich war, was bedeutet, dass es zwingend notwendig war, dass wir irgendeine erleichternde Ausrede für unseren korrupten Zustand finden, während wir darauf warteten, dass die tatsächliche Erklärung gefunden wird – und, wie ich gesagt habe, kam uns dabei die Ausrede der „wilden Instinkte“ zur Rettung.

So offensichtlich unwahr sie auch ist, konnten wir ein wenig mentale Selbsttäuschung anwenden, um uns selbst davon zu überzeugen: „Schau, Tiere konkurrieren und kämpfen die ganze Zeit, also ist das auch unser animalisches Erbe“! Im Grunde genommen, einfach die Tatsache übersehen, dass wir liebevolle moralische Instinkte haben und die Ausrede der „wilden Instinkte“ mit Entschlossenheit umklammern! Wirklich nicht überraschend, angesichts der Qual unserer Zwangslage, sobald wir Menschen psychologisch in die Enge getrieben werden, genügt uns jede Ausrede, wir müssen uns nur eine einfallen lassen – und das ist was wir mit der Ausrede der „wilden Instinkte“ getan haben.

 

Collage of hyenas, bighorn sheep rams and lions competing amongst themselves

AdobeStock; jeaneeem / Flickr

 

Nochmals, wie ich im zweiten Video/​Essay dieser Serie gesagt habe, diese Ausrede, dass wir wilde animalische Instinkte haben, die von der Notwendigkeit getrieben werden unsere Gene wie andere Tiere zu reproduzieren, ist die Ausrede die praktisch jeder für unser konkurrierendes, selbstsüchtiges und aggressives unter dem menschlichen Zustand leidendes Verhalten verwendet hat. Unsere Unterhaltungen sind voll von dem auf der Ausrede der „wilden Instinkten“ basierten Grund für unser Verhalten, mit Kommentaren wie: „Wir sind von unseren Genen darauf programmiert, zu versuchen, andere zu dominieren und ein Gewinner in der Schlacht des Lebens zu sein“; und „Unsere Beschäftigung mit sexueller Eroberung beruht auf unserem Urinstinkt unsere Samen zu säen“; und „Männer verhalten sich abscheulich, weil ihre Körper mit Testosteron durchflutet werden, das den Zwang fördert, ihre Gene zu reproduzieren“; und „Wir wollen ein großes Haus, weil wir von Natur aus territorial sind“; und „Kampf und Krieg ist nur Ausdruck unserer animalischen Natur“; und „Religionen sind lediglich Manifestationen unserer vom Überleben getriebenen Gruppenmentalität“. Und dann ist da der geläufigste Kommentar von allen: „Es ist einfach die menschliche Natur, selbstsüchtig zu sein“. Wir haben uns vorgemacht, dass andere Tiere ständig miteinander konkurrieren und kämpfen, in dem Bestreben sicherzustellen, dass sie ihre Gene reproduzieren, und dass es das war, was unsere Vorfahren getan haben, und dass daher auch unser brutales konkurrierendes und aggressives Verhalten kommt, das wir – „wir“ sind unser bewusstes Selbst – angeblich unser ganzes Leben lang versuchen müssen zu kontrollieren.

Aber nochmals, wie ich erwähnt habe, die Theorie der „wilden Instinkte“ ist einfach nicht wahr, sie ist nur eine bequeme Ausrede, die wir uns einfallen haben lassen. Erstens, wir Menschen haben keine wilden konkurrierenden, selbstsüchtigen und aggressiven Instinkte wie andere Tiere, wir haben kooperative, selbstlose und liebevolle moralische Instinkte, deren Stimme oder Ausdruck wir unser Gewissen nennen; erinnert euch an Darwins Worte: „daß, von allen Unterschieden zwischen dem Menschen und den niederen Thieren das moralische Gefühl oder das Gewissen weitaus der bedeutungsvollste ist.“ Und zweitens, Worte, die verwendet werden um menschliches Verhalten zu beschreiben, wie egozentrisch, arrogant, inspiriert, deprimiert, verblendet, pessimistisch, optimistisch, hasserfüllt, zynisch, gemein, unmoralisch, brillant, schuldbeladen, böse, psychotisch oder neurotisch, erkennen allesamt die Beteiligung des völlig bewussten denkenden Verstands UNSERER Spezies an. Sie zeigen, dass es eine psychologische Dimension in unserem Verhalten gibt; dass wir nicht unter einem von genetischem Opportunismus getriebenen „animalischen Zustand“ leiden, sondern dem psychologisch beunruhigten MENSCHLICHEN ZUSTAND.

 

A selection of science books based upon the ‘savage instincts’ excuse for human behaviour

Einige der vielen wissenschaftlichen Bücher, die menschliches Verhalten unter
Verwendung der falschen Ausrede der „wilden Instinkte“ erklären. Siehe Video/​F. Essay 14.

 

Außerdem, wenn wir tatsächlich kooperative, selbstlose und liebevolle moralische Instinkte haben (was, wie Darwin sagte, wir haben), und nicht konkurrierende, selbstsüchtige und aggressive wie andere Tiere, dann müssen diese kooperativen und liebevollen Instinkte von einer Zeit gekommen sein, als unsere Vorfahren – vermutlich unsere fernen Affenvorfahren – kooperativ, selbstlos und liebevoll lebten. Und in der Tat, unsere Affenvorfahren haben kooperativ, selbstlos und liebevoll gelebt, und, wie gerade erklärt wurde, war es durch Behüten, wie es Bonobos praktizieren, dass sie es geschafft haben, diese wundervolle sanftmütige, miteinander teilende, kooperative und friedliche Lebensweise zu erreichen, in der sie gelebt haben, wie Moses, Hesiod und Platon, und viele andere der großen Denker früherer Tage erkannten.

Aber wie ich betont habe, das gewaltige Problem, das wir mit dieser Wahrheit gehabt haben, dass unsere Vorfahren kooperativ, selbstlos und liebevoll waren, ist, dass es absolut unerträglich verurteilend für unseren gegenwärtigen korrupten Zustand war, was bedeutet, dass wir einfach einen Weg finden mussten, sie zu verleugnen, wobei uns erneut die Ausrede der „wilden Instinkte“ zur Rettung kam. Wir müssen zu tiefst anerkennen, wie diabolisch unsere Situation gewesen ist. Erst nachdem die Wissenschaft den Unterschied zwischen instinktiven Orientierungen und bewussten Verständnissen offenbarte, waren wir Menschen endlich dazu in der Lage, den echten Grund für unser konkurrierendes und aggressives Verhalten zu erklären. Bevor wir Nerven und Gene entdeckten und herausgefunden haben wie sie funktionieren, war jedes Mal wenn wir wahrheitsgemäß über unseren „korrupten“ bzw. „gefallenen“, Unschuld-zerstörten, Garten-Eden-ausgelöschten menschlichen Zustand nachdachten, der einzige Schluss zu dem wir kommen konnten, dass wir böse Monster sein müssen. Ohne die Fähigkeit, die uns die Wissenschaft gab, Nerven und Gene zu erklären, waren wir völlig festgefahren, ohne jede Fähigkeit uns selbst wahrheitsgemäß zu erklären.

 

Detail from Michelangelo’s Sistine Chapel depiction of Adam and Eve being cast out of the Garden of Eden

Die Vertreibung aus dem Paradies (Detail) von Michelangelo, ca. 1512

 

Und da die Wissenschaft die Existenz von Genen und Nerven und wie sie funktionieren erst in den letzten etwa 160 Jahren entdeckt hat (der Zeitraum seit dem Darwin seine Theorie der natürlichen Selektion veröffentlichte), ist das eine überwältigend lange Zeit, in der wir völlig bewussten Menschen ohne die Fähigkeit leben mussten, uns selbst wahrheitsgemäß zu erklären – tatsächlich etwa 2 Millionen Jahre.

Jetzt können wir also sehen, wie wichtig es war zu leugnen, dass unsere Vorfahren kooperativ und liebevoll lebten und uns stattdessen vorzumachen, dass sie wilde Barbaren waren, die wie andere Tiere versuchten ihre Gene zu reproduzieren – denn ohne diese Verleugnung und diese Ausrede wäre es uns einfach nicht möglich gewesen klarzukommen und in dieser ganzen Zeit mit uns selbst zu leben! Und wir können jetzt auch sehen, was für eine absolut unvorstellbare Erleichterung es ist, den echten Grund für unseren korrupten Zustand zu haben und die Scharade, an eine falsche Ausrede zu glauben, nicht weiter aufrechthalten zu müssen! Und da ist nicht nur die Erleichterung darüber, nicht länger wie Dummköpfe lügen zu müssen, dieses wahre Verständnis, das wir jetzt vom menschlichen Zustand haben, erlaubt jedem Menschen, nicht länger eine verteidigende und vergeltende egozentrische und aggressive Existenz leben zu müssen. Wir können transformiert werden dazu frei vom menschlichen Zustand zu leben, was eine fabelhafte Veränderung ist, die Tony Gowing im nächsten Video/​Essay (5) beschreibt, und die ich in F. Essay 15 weiter beschreiben werde. Es gibt also wirklich keinen Vergleich zwischen dem Leben, das wir bis heute leben mussten, und dem, was wir jetzt im Angebot haben!!!

 

 

TEIL 3 Zeitgenössische Denker, die die wesentlichen Instinkt-gegen-Intellekt-Elemente erkannt haben, die in der Entstehung des menschlichen Zustands involviert sind

 

Der Hauptpunkt dessen, was nunmehr erklärt wurde, ist, dass bis die Wissenschaft den Unterschied in der Art und Weise wie Gene und Nerven funktionieren enthüllt hat und es dadurch möglich machte, wahrheitsgemäß zu erklären, warum wir Menschen konkurrierend, aggressiv und selbstsüchtig wurden (was, nochmals, wie ich nahelege, die Erklärung ist, die ich im vorherigen Video/​Essay präsentiert habe), hatten wir keine andere Wahl, als die unehrliche Ausrede der „wilden Instinkte“ für unser zwiespältiges Verhalten zu verwenden. Das wirft die Frage auf, warum die Instinkt-gegen-Intellekt-Erklärung, die ich für den menschlichen Zustand gegeben habe, nicht vorher gefunden wurde, obwohl dieses Verständnis der Funktionsweise von Genen und Nerven seit etwa 160 Jahren bekannt ist – und warum die Wissenschaft nicht dazu geeilt ist, die alles entscheidende Entdeckung anzuerkennen? Der Grund, warum sie nicht gefunden wurde, ist, dass nahezu alle Wissenschaftler, wie praktisch jeder andere Mensch, sich tief dazu verpflichtet haben, die unerträgliche Auseinandersetzung mit dem menschlichen Zustand zu vermeiden (die furchterregende Frage, warum wir so korrupt und seelenzerstört sind) und es gewohnt wurden, die Ausrede der „wilden Instinkte“ zu verwenden, um sich selbst zu verteidigen. Ich musste unabhängig von der vorherrschenden wissenschaftlichen Denkweise denken, damit ich ehrlich genug über den menschlichen Zustand nachdenken konnte, um ihn zu lösen. Und in Bezug darauf, dass dieses Verständnis durch das wissenschaftliche Establishment akzeptiert wird: die Wissenschaft war immer langsam dabei, sich zu einem neuen Paradigma des Denkens zu bewegen, vor allem wenn das neue Paradigma ein wahrheitsgemäßeres ist – eine Schwierigkeit, die der Dramatiker George Bernard Shaw erkannt hat, als er sagte, „Alle großen Wahrheiten beginnen als Blasphemien“ (Annajanska, 1919; Übers. WTM Austria, 2019). Ihr könnt viel mehr über die tief verwurzelte Verleugnung des menschlichen Zustands durch die Wissenschaft und über das äußerst gefährliche Aufrechterhalten der Ausrede der wilden Instinkte in Video/​F. Essay 14 und in Kapitel 2 von FREEDOM erfahren. In der Tat, Video/​F. Essay 14 liefert eine sehr kraftvolle Beschreibung all der Unehrlichkeit der Wissenschaft sowie davon, wohin uns diese Unehrlichkeit gebracht hat – nämlich geradewegs zum Untergang!

Das bringt uns also zum Hauptpunkt dieser Präsentation, welcher lautet, dass ihr wissen werdet, dass die von mir vorgebrachte Erklärung des menschlichen Zustands die wahre Erklärung ist, denn wenn wir wahrheitsgemäß über den menschlichen Zustand nachdenken – anstatt unehrlich in Verleugnung zu leben, was praktisch alle, Wissenschaftler eingeschlossen, getan haben – dann wird deutlich, dass die Instinkt-gegen-Intellekt-Erklärung die komplett offensichtliche und völlig nachvollziehbare und somit wahre Erklärung für unser zwiespältiges Verhalten ist. Und diese Offensichtlichkeit wird durch die vielen großen Denker im Laufe der Geschichte glasklar gemacht, die diese Instinkt-gegen-Intellekt-Elemente erkannt haben – wie jene des Altertums, die ich bereits erwähnt habe, und jene aus der heutigen Zeit, die ich noch erwähnen werde. Wie ihr sehen werdet, während keiner dieser Denker dazu in der Lage war, den menschlichen Zustand vollständig zu erklären – in einigen Fällen, weil die Wissenschaft zu ihrer Zeit die Natur der Gen- und Nerven-basierten Systeme erst enthüllen musste – erkannten sie allesamt die involvierten Schlüsselbestandteile in dieser ehrlichen und wahren Erklärung unseres bewussten Verstands, der mit unseren Instinkten uneins ist.

Dennoch, während all diese Denker die grundlegenden Instinkt-gegen-Intellekt-Bestandteile erkannt haben, die bei der Erzeugung der psychologisch verstörten Beschaffenheit des menschlichen Zustands involviert waren, werdet ihr bemerken, dass es unter den zeitgenössischen Denkern, die ich erwähnen werde, Abweichungen darin gibt, wie ehrlich jeder von ihnen in Bezug darauf war, dass diese Instinkte in uns kooperativ, selbstlos und liebevoll sind, nicht konkurrierend, selbstsüchtig und aggressiv. Nicht alle zeitgenössischen Denker waren dazu in der Lage, die Wahrheit unserer kooperativen und liebevollen Vergangenheit anzuerkennen, denn je mehr verstört wütend, egozentrisch und entfremdet die Menschheit wurde, desto unerträglicher konfrontierend wurde die Wahrheit über unseren vergangenen Zustand der Unschuld. Es folgt, dass in früheren Zeiten, als die verstört wütende, egozentrische und entfremdete Beschaffenheit des menschlichen Zustands noch nicht so weit entwickelt war wie jetzt, es mehr wahrheitsgemäße Anerkennung des kooperativen, selbstlosen und liebevollen Erbes unserer Spezies sowie ihrer Korruption als wir bewusst wurden geben würde – was die Beispiele des Altertums demonstrieren.

Trotzdem, während alle hier enthaltenen Denker des weniger verstörten, unschuldigeren und naiveren Altertums unser kooperatives, selbstloses und liebevolles Erbe anerkannt haben, gab es selbst in diesen frühen Zeiten viele Menschen, die es verleugnen wollten, und wir wissen das, weil Platon uns von dessen Auftreten in jenen früheren Zeiten erzählt hat, als er schrieb, dass „die Erinnerung [an] unsere frühesten Vorfahren [in Form existierender relativ unschuldiger „Rassen“ von Menschen, wie jene, die heute immer noch existieren, wie die Buschmänner der Kalahari und die australischen Aborigines], die der Zeit nahestanden, da der frühere Umlauf seinem Ende zuging, und zu Beginn des jetzigen [der verstörteren Periode] geboren wurden…​uns [von diesem früheren unschuldigen Zeitalter] von diesen Geschichten [des unschuldigen „erdgeborenen“ Menschen]…​künden…​die heute von vielen zu Unrecht in Zweifel gezogen werden“ (Der Staatsmann, S. 249). Natürlich, als Mitglieder der modernen Menschen, Homo sapiens sapiens, werden Buschmänner und Aborigines im Vergleich zu unseren fernen, ursprünglich völlig unschuldigen, Bonobo-ähnlichen Vorfahren immer noch voll von Verstörung sein – sie sind nur relativ unschuldig im Vergleich zu den meisten „Rassen“ von heute. (siehe Absatz 860 in FREEDOM)

Also, auch wenn es in unserem modernen Zeitalter noch mehr Verleugnung der unschuldigen Vergangenheit unserer Spezies als zu Platons Zeiten gibt, als er klagte, dass unsere unschuldige Vergangenheit „heute von vielen zu Unrecht in Zweifel gezogen“ wird (wie ihr in der folgenden Sammlung zeitgenössischer Denker sehen werdet, welche die grundlegenden Instinkt-gegen-Intellekt-Elemente erkannt haben, die in der Entstehung des menschlichen Zustands involviert waren), so gibt es immer noch jene Denker die sowohl die grundlegenden Elemente wahrheitsgemäß erkannt haben, als auch, dass unsere Instinkte kooperativ und liebevoll sind.

(In der längeren Version dieser Präsentation in F. Essay 53 können viele weitere Anerkennungen der Korruption unseres bewussten Verstands von einem ursprünglichen Zustand der Unschuld gefunden werden.)

 

Portrait photograph of South African naturalist, Eugene Marais

Eugène Marais (1871–1936)

Cover of the book ‘The Soul of the Ape’ by Eugene Marais

 

Beim Identifizieren der Rolle des Instinkts und Intellekts bei der Entstehung des menschlichen Zustands, war der südafrikanische Naturforscher Eugène Marais auf der richtigen Spur, als er zwischen 1916 und 1937 schrieb, „Die große Grenze zwischen den beiden Typen der Mentalität ist die Linie, die andere Säugetiere als die Primaten von den Menschen- und übrigen Affen trennt. Das Tier, dessen Verhalten von der individuellen kausalen Mentalität beherrscht wird, ererbt keine anderen leitenden Erinnerungen als die, die sein Verhalten während der Kindheit bestimmen…​Die phyletische Geschichte [evolutionäre Entwicklung] der Primaten-Seele kann in der mentalen Evolution des menschlichen Kindes klar verfolgt werden. Der höchste Primat, der Mensch, ist als ein instinktives Tier geboren. All sein Verhalten ist für lange Zeit nach der Geburt von der instinktiven Mentalität beherrscht…​es hat keine Erinnerung, keine Konzeption von Ursache und Wirkung, kein Bewusstsein [Dieser letzte Teil aus dem englischen Original, „it has no memory, no conception of cause and effect, no consciousness“, wurde in der deutschen Übersetzung ausgelassen und deshalb von uns übersetzt]…wie die neue Seele, die Seele mit dem individuellen Gedächtnis, langsam auftaucht, so wird die instinktive Seele ebenso langsam überflutet…​Für einige Zeit ist es fast so, als gäbe es einen Kampf zwischen den beiden“ (Die Seele des Affen, geschrieben zwischen 1916 und 1936, posthum veröffentlicht 1969; Übers. L. Knoll, 1973, S 9698 von 211). Marais erkannte auch, dass „der Instinkt…​sich…​als ein furchtbarer Tyrann [‚erweist‘], denn er…​[erlaubt kein] Handeln gegen die ererbten Vorschriften“ (Die Seele der weißen Ameise, 1937; Übers. M. v. d. Groeben, 1939, S 6970 von 250). Er realisierte weiter: „die sogenannte ‚unterschwellige Seele‘ im Menschen – die ‚unterbewusste‘ Mentalität – ist keine andere als diese alte ‚animalische‘ [instinktive] Mentalität, die von der neuen [bewussten] Mentalität außer Gefecht gesetzt worden ist“ (1926; veröffentlicht in The Road to Waterberg and other essays, 1972, S. 149 von 175; Übers. WTM Austria, 2019).

Wir können in Marais Beschreibung vieles von der Adam-Storch-Analogie erkennen, die ich verwende, um den menschlichen Zustand in Video/​F. Essay 3 zu erklären – davon bewusst zu werden und, dass als das Bewusstsein auftauchte, ein „Kampf“ mit den unflexiblen, „tyrann[ischen] Instinkten ausbrach. Marais hat nicht nur die Elemente der Instinkte und des bewussten Verstands anerkannt, die an der Entstehung des menschlichen Zustands involviert waren, er hat auch berücksichtigt, wie die beiden Elemente interagieren. Hätte er seine Einsicht in den aufkommenden „Kampf“ zwischen der unflexiblen, „tyrann[ischen], „instinktive[n] Seele“ bzw. der „ererbt[en]“ „Erinnerungen“ und der neuen „bewusst[en]“ „Gedächtnis“-basierten, „Ursache und Wirkung“ verstehenden „individuellen kausalen Mentalität“ weiterverfolgt und entwickelt hätte er realisieren können, wie ich es tat, dass der gute Grund, warum der bewusste Intellekt den tyrannischen Instinkten trotzen musste, darin bestand, dass der bewusste Verstand nach Verständnis von „Ursache und Wirkung“ suchen musste, und weiter, dass es dieser spezielle Schuld produzierende „Kampf“ war, der unsere verstört konkurrierende, aggressive und selbstsüchtige, korrupte menschliche Natur verursachte.

Das ist also eine erstaunlich ehrliche und damit durchdringende Analyse des Ursprungs unseres korrupten menschlichen Zustands!

 

Portrait photograph of Sir Laurens van der Post in army uniform

Sir Laurens van der Post (1906–1996)

The book cover of ‘Testament to the Bushmen’ by Laurens van der Post and Jane Taylor

 

F. Essay 51 widmet sich dem Erklären der Bedeutung der Arbeit von Sir Laurens van der Post, vor allem seiner ausführlichen Schriften über die relativ unschuldigen Buschmänner der Kalahari-Wüste in Südafrika. Was hier relevant ist, ist, dass Sir Laurens, den ich als den herausragenden Philosophen des zwanzigsten Jahrhunderts ansehe und der, wie Marais aus Südafrika stammte, eine ehrliche verleugnungsfreie Fähigkeit hatte, die Beteiligung unserer moralischen Instinkte und unseres korrupten Intellekts bei der Entstehung der verstörten Beschaffenheit des menschlichen Zustands anzuerkennen. Wie wir in dieser Passage aus Sir Laurens Schriften aus 1984 sehen können, erkannte er mutig an, dass „vor dem Anbruch des individuellen Bewusstseins“ Menschen in einem Zustand der „Zusammengehörigkeit“ lebten – ein Zustand, von dem er sagte, dass wir einen solchen Hunger danach gehabt haben, in diesen zurückzukehren, dass es „wie ein unstillbares Heimweh am Grunde des menschlichen Herzens“ gewesen ist. Er schrieb: „Dieses schrille, zerbrechliche, wichtigtuerische Leben von heute ist im Vergleich dazu ein Friedhof, auf dem die Lebenden tot sind und die Toten leben und [durch unsere Seele] mit einer stillen, kleinen, klaren Stimme der Liebe und des Vertrauens in das Leben sprechen, das wir für den Moment verloren haben…[Es gab eine Zeit als] Alle auf der Erde und im Universum noch Mitglieder und Familie der frühen Rassen waren, nach Trost und Wärme suchend durch die lange kalte Nacht vor dem Anbruch des individuellen Bewusstseins, in einer Zusammengehörigkeit, die immer noch wie ein unstillbares Heimweh am Grunde des menschlichen Herzens nagt“ (Testament to the Bushmen, S. 127128 von 176; Übers. WTM Austria, 2019). In einem noch ausdrücklicheren Verweis erkannte Sir Laurens auch die tatsächliche „Fehde“, die zwischen unserem ursprünglichen unschuldigen instinktiven Selbst und unserem neueren bewussten Intellekt existiert, wenn er schreibt, „Ich sprach vorhin von jenem dunklen Kinde der Natur, jenem anderen ursprunghaften Menschen in einem jeden von uns, den wir in unserer Seele befehden(Das dunkle Auge Afrikas, 1955; Übers. F. Schwarz, 1972, S. 210 von 216).

Wir können sehen, dass während Sir Laurens die „Fehde“ zwischen unserem ursprünglichen, unschuldigen, instinktiven seelenvollen „Kinde der Natur“ und unserem neueren „individuell bewusst[en] Intellekt bzw. „unserer Seele“ klar erkennen konnte, er nicht den entscheidend wichtigen, versöhnenden und erlösenden, guten biologischen Grund lieferte, WARUM die „Fehde“ stattgefunden hat.

Ich sollte an dieser Stelle anmerken, dass mit dem Erkennen der relativen Unschuld des Volks der Buschmänner der Kalahari, Sir Laurens trotzig gegen die Praxis der Verleugnung der Wahrheit rebellierte, dass wir Menschen vor dem Auftauchen des menschlichen Zustands einmal in einem verstörungsfreien, unschuldigen Zustand gelebt haben. (Dieser Trotz und die Verfolgung von Sir Laurens, die daraus resultierte, ist in F. Essay 51 beschrieben.) Zum Beispiel schrieb er 1961: „Es lebte ja in jedem von uns ein unbarmherzig verleugnetes und vernachlässigtes erstes Kind des Lebens, in jedem von uns ein Buschmann“ (Das Herz des kleinen Jägers, 1961; Übers. L. Gescher, 1994, S. 182 von 338). Er beschrieb sogar die relativ unkorrupte Harmonie und Sensibilität des unschuldigeren Zustands der Buschmänner, als er 1958 schrieb: „Er [der Buschmann] und seine Bedürfnisse waren mit der Natur Afrikas und dem weitausholenden Pendelschlag der Jahreszeiten verwachsen wie ein Fisch mit dem Wasser. Sein Dasein war so eng mit der Natur verbunden, daß dieser Zustand beinahe mystisch genannt werden könnte. So schien er beispielsweise genau zu wissen, wie man sich tatsächlich als Elefant, Löwe, Antilope, Bockantilope, Eidechse, gestreifte Maus, Mantis, Affenbrotbaum, gelbgemähnte Kobra oder sternenäugige Amaryllis fühlt. Schon als Kind glaubte ich, daß es in seiner Welt keine Geheimnisse zwischen der einen Daseinsform und der anderen gab.“ (Die verlorene Welt der Kalahari; Übers. L. Gescher, 1994, S. 23 von 340).

Die Empfindungen von Sir Laurens ließ der in der Schweiz geborene Philosoph Jean-Jacques Rousseau widerhallen, der ausdrückte, wovon wir alle intuitiv wissen, dass es die Wahrheit ist, als er schrieb, es „ist doch nichts so sanft wie der Mensch in seinem ursprünglichen Zustand“ (Abhandlung über den Ursprung und die Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen, 1755; Übers. P. Rippel, 1998, S. 82 von 215) und „Der Mensch ist frei geboren, und überall ist er in Ketten“ (Vom Gesellschaftsvertrag, 1762; Übers. J. Götte, 1977, S. 5 von 223). Während Rousseau nie den Begriff „Edler Wilder“ verwendet hat, zeigen diese Zitate, warum er mit diesem Konzept in Verbindung gebracht wurde. Der englische Schriftsteller und Dichter D. H. Lawrence erkannte ebenso wahrheitsgemäß den verlorenen Zustand der sensiblen Unschuld unserer Spezies, als er schrieb „im Staub, in dem wir / die verstummten Völker und all ihre Greuel beerdigt [ihre unerträglich konfrontierende und verurteilende Unschuld] / haben wir so viel von dem zarten Zauber des Lebens begraben“ („Zypressen“, 1920; Übers. W. Schlüter, 2000 in Vögel, Blumen und wilde Tiere: Gedichte, S. 29 von 174]).

 

Collage of portraits of Jean-Jacques Rousseau, DH Lawrence and Fyodor Dostoyevsky

L-R: Jean-Jacques Rousseau (1712–1778), D. H. Lawrence (1885–1930), Fjodor Dostojewski (1821–1881)

 

Als Sir Laurens von den relativ unschuldigen Buschmännern sprach, die scheinbar „wissen, wie man sich tatsächlich als…​gestreifte Maus, Mantis, Affenbrotbaum…​fühlt“, wurde ich an den großen russischen Schriftsteller Fjodor Dostojewski und seine intuitive Erinnerung aus dem Jahr 1877 an eine Bonobo-ähnliche Zeit der Unschuld unserer Spezies erinnert – eine Zeit von der er schrieb: „Der Rasen leuchtete von bunten, duftenden Blumen. Kleine Vögel flogen scharenweise in der Luft umher, setzten sich mir ohne Furcht auf die Schultern und auf die Hände und schlugen mich fröhlich mit ihren allerliebsten, flatternden Flügelchen. Und endlich erblickte und erkannte ich die Menschen dieser glücklichen Erde. Sie kamen von selbst zu mir, umringten mich und küssten mich. Diese Kinder der Sonne, diese Kinder ihrer Sonne, oh wie schön waren sie! Niemals hatte ich auf unserer Erde bei Menschen solche Schönheit gesehen…​Ihre Gesichter strahlten…​aus den Stimmen und Worten der Menschen klang eine kindliche Freude heraus…​Das war nicht die durch den Sündenfall entweihte Erde; auf ihr lebten sündlose Menschen…​Sie wünschten nichts und waren in ihrer Seele ruhig; sie strebten nicht nach Erkenntnis des Lebens in der Weise, wie wir es tun; denn ihr Leben hatte bereits einen vollen Inhalt. Aber ihr Wissen war tiefer und größer als unsere Wissenschaft…​aber ihr Wissen konnte ich nicht begreifen. Sie wiesen auf ihre Bäume, und ich vermochte den Grad von Liebe, mit dem sie sie betrachteten, nicht zu begreifen: Sie redeten von ihnen, als wären es ihnen ähnliche Wesen…​und ich bin überzeugt, dass auch diese die Sprache der Menschen verstanden. Von der gleichen Art war auch ihr Verhältnis zur übrigen Natur, zu den Tieren, die friedlich mit ihnen zusammenlebten, sie nicht anfielen und sie liebten, da sie von der Liebe der Menschen überwunden waren…​Es gab unter ihnen keine Streitigkeiten und keine Eifersucht…​da alle eine einzige Familie bildeten“ (Der Traum eines lächerlichen Menschen, 1877; Übers. H. Röhl, 2017, S. 1617 von 132). Diese Beschreibung davon, „Von der Liebe der Menschen überwunden“ zu werden, ist so wie die Beschreibung der Bonobo-Forscherin Vanessa Woods, als zuvor erwähnt wurde, dass sie sagte, Bonobos „lieben…​dich mit solch hilfloser Hingabe, dass du sie zurückliebst. Du musst sie einfach zurücklieben“ (‘A moment that changed me–my husband fell in love with a bonobo’, The Guardian, 1. Okt. 2015; Übers. WTM Austria, 2019). Wieder sehen wir, wie genau unsere Erinnerung daran ist, wenn wir sie nicht verleugnen, wie das Leben „vor dem Fall“ war.

 

Portrait photograph of philosopher Nikolai Berdyaev

Nikolai Berdjajew (1874–1948)

Cover of the book ‘The Destiny of Man’ by Nikolai Berdyaev

 

Der russische Philosoph Nikolai Berdjajew hat ebenso mutig anerkannt: „Die Erinnerung an ein verlorenes Paradies, an ein goldenes Zeitalter, ist sehr tief im Menschen“ (The Destiny of Man; engl. Übers. N. Duddington, 1960, S. 36 von 310; dt. Übers. WTM Austria, 2019). Er näherte sich auch der Wahrheit über die tatsächliche Ursache des menschlichen Zustands, als er 1931 schrieb, dass „der Mensch ein irrationales, paradoxes, im Wesentlichen tragisches Wesen ist, in dem zwei Welten, zwei entgegengesetzte Prinzipien, im Krieg sind“ (ebd. S. 49), sowie beim Beschreiben dieser beiden Prinzipien, wenn er schreibt: „Die menschliche Seele ist gespalten, ein quälender Konflikt zwischen entgegengesetzten Elementen findet darin statt…​die Unterscheidung zwischen dem bewussten und dem unterbewussten Verstand ist grundlegend für die neue Psychologie“ (ebd. S. 6768). Ja, diese „Unterscheidung“ ist sicherlich „grundlegend für die neue Psychologie“. Berdjajew hat also alles identifiziert – der Instinkt ist im Krieg mit dem Intellekt – aber nochmals, was fehlt, ist die versöhnende Erklärung dessen, worum es bei der „Unterscheidung zwischen dem bewussten und dem unterbewussten Verstand“ tatsächlich geht, die dazu führt, dass sie in einem „quälende[n] Konflikt“ sind.

 

Portrait photograph of psychologist Erich Neumann

Erich Neumann (1905–1960)

Front cover of Erich Neumann’s book ‘The Origins and History of Consciousness’

 

Der deutsche Psychologe Erich Neumann war ein weiterer, der die Schlacht und die Zerrissenheit zwischen dem bereits etablierten nicht verstehenden, „unbewußte[n], instinktiven Selbst und unserem neueren „bewußt[en] intellektuellen Selbst erkannte. Neumann schrieb in seinem Buch Ursprungsgeschichte des Bewusstseins aus 1949, dass „Während ursprünglich Gegensätze ohne Schwierigkeit und ohne sich auszuschließen nebeneinander wirksam waren, treten sie mit der Entstehung, Entwicklung und Ausbildung des Gegensatzes zwischen Bewußtsein und Unbewußtem in Gegensätze auseinander. Das heißt, ein geliebtes Objekt „kann“ nun nicht mehr gleichzeitig auch gehaßt werden. Das Ich und das Bewußtsein identifiziert sich prinzipiell mit einer Seite des Gegensatzes und läßt die andere im Unbewußten, wobei einmal ihr Auftauchen verhindert wird, sie ein anderes Mal bewußt unterdrückt, ein drittes Mal verdrängt, d. h. aus dem Bewußtsein ausgeschlossen wird, ohne daß das Bewußtsein von diesem Prozeß Kenntnis nimmt. Erst die tiefenpsychologische Analyse entdeckt dann die Gegenposition“ (S. 102 von 370). Ja, als wir den Garten-Eden-Zustand der ursprünglichen Unschuld zerstört haben, haben wir uns so geschämt, dass wir das Bewusstsein über die Existenz dieses ursprünglichen unschuldigen Zustands in dem Maß „verdrängt“ haben, dass nahezu jeder es nur noch unterbewusst wahrnimmt, mit dem Ergebnis, dass nahezu jeder eine „tiefenpsychologische Analyse“ benötigt, um dieses Bewusstsein zu erreichen. Nahezu alle Menschen haben in ängstlicher Verleugnung der korrupten Beschaffenheit des menschlichen Zustands gelebt – und es ist Tatsache, dass das Praktizieren solch extremer Unehrlichkeit es unmöglich gemacht hat, wahrheitsgemäß und effektiv über den menschlichen Zustand nachzudenken. Nur ein Ansatz, der frei von Verleugnung/​Entfremdung ist, konnte alle Wahrheiten über den menschlichen Zustand erreichen, die in diesen Videos/​Essays präsentiert werden – und solch ein leugnungsfreies, ehrliches und effektives Denken konnte nur entweder durch die von Neumann erwähnte „tiefenpsychologische“ Therapie erreicht werden, oder, in meinem Fall, dadurch niemals resigniert haben zu müssen, um die Wahrheit über den ursprünglichen unschuldigen Zustand unserer Spezies auszublenden und zu verleugnen. (Die Resignation dazu, in Verleugnung des menschlichen Zustands zu leben, wird in F. Essay 30 erklärt.) Zum Glück, jetzt da unser korrupter Zustand erklärt und verteidigt ist, kann dessen Verleugnung sowie all das unehrliche Denken, das daraus entstand, enden!

Wir können sehen, dass trotz Neumanns Beschreibung des Konflikts zwischen Instinkt und Intellekt die Schlüsselfrage bestehen bleibt: Warum hat die „Ausbildung“ des „bewußt[en] Selbst bewirkt, dass es mit dem „unbewußte[n] instinktiven Selbst „auseinander [ge]treten“ ist?

 

Paul Maclean

Paul MacLean (1913–2007)

Paul Maclean’s Triune Brain

MacLeans Konzept des Dreieinigen Gehirns

 

In den 1950er Jahren entwickelte der amerikanische Neurologe Paul MacLean seine Theorie des „Dreieinigen Gehirns“, die besagt, dass Menschen eine mental unausgewogene Spezies wegen einer unzureichenden Koordination zwischen unserem emotionalen alten Gehirn und unserem kognitiven neuen Gehirn sind. MacLean schlug vor, dass Menschen nicht ein Gehirn haben sondern drei, wobei jedes einer anderen Phase unserer Evolutionsgeschichte entsprang. Er sagte, es gibt das innere ursprüngliche Reptiliengehirn, das den Hirnstamm und das Kleinhirn umfasst, von dem er sagte, es neigt dazu starr, zwanghaft und rituell zu sein und ist fixiert darauf, dasselbe Verhalten immer wieder zu wiederholen. Dann ist da das mittlere „limbische“ Gehirn, von dem er sagte, es umfasst die Amygdala, den Hypothalamus und den Hippocampus und ist auffällig bei niederen Säugetieren und beschäftigt sich mit Emotionen und Instinkten, insbesondere dem Fressen, Kampf- oder Fluchtreaktionen, dem Sexualverhalten und der Brutpflege. Und drittens, sagte er, gibt es den äußeren Neokortex oder zerebralen Kortex höherer Säugetiere, der sich mit Vernunft, dem Erfinden und abstraktem Denken befasst. MacLean sagte, „Man könnte sich diese drei Gehirne auch als drei biologische Computer vorstellen, von denen jeder seine individuelle Form der Subjektivität und seine individuelle Intelligenz, seinen eigenen Sinn für Zeit und Raum, sein eigenes Gedächtnis, seinen individuellen Antrieb und seine individuellen anderen Funktionen hat“ (The Triune Brain in Evolution, 1990 [erstmals 1973 veröffentlicht in A triune concept of the brain and behaviour], S. 9 von 672; Übers. J. Abel, 1978 in Arthur Koestlers Der Mensch – Irrläufer der Evolution, S. 19 von 376). Wegen der Unabhängigkeit zwischen diesen drei Gehirnen sah MacLean sie als häufig dissoziiert und in Konflikt, wobei das niedere limbische System, das unsere altruistischen Werturteile und Emotionen beherrscht, sogar dazu in der Lage ist, die höheren mentalen Funktionen an sich zu reißen, wenn es das wählte.

Jedoch, MacLean konnte nicht erklären, was es ist, das an den verschiedenen Intelligenzen und den daraus resultierenden Subjektivitäten sowie den Zeit- und Raumgefühlen und den Erinnerungen den Konflikt zwischen diesen beiden besonderen Gehirnen tatsächlich verursacht. (Mehr zu MacLeans Theorie, sowie auch zu den Theorien anderer Denker, die in dieser kurzen Präsentation erwähnt werden, wird in der längeren Präsentation in F. Essay 53 erklärt.)

 

Arthur Koestler, 1969

Arthur Koestler (1905–1983)

Cover of ‘Janus: A Summing Up’ by Arthur Koestler

 

Abschließend, während der 1970er Jahre identifizierte der in Ungarn geborene britische Wissenschafts-Philosoph Arthur Koestler beide Elemente von Instinkt und Intellekt, die im menschlichen Zustand involviert waren, und suchte eine Erklärung dafür, wie sie den menschlichen Zustand produziert haben könnten, indem er sich auf das Konzept von Paul MacLean bezog, dass „das explosive Gehirnwachstum [im Menschen] eine geistig unausgeglichene Spezies entstehen [ließ], bei der sich altes Gehirn und neues Gehirn, Gefühl und Intellekt, Glaube und Vernunft in den Haaren liegen“ (Der Mensch – Irrläufer der Evolution, 1978; Übers. J. Abel, 1978, S. 20 von 376). Wie es ein Kommentator beschrieben hat, „Bei einer öffentlichen Lesung hörte ich, wie Arthur Koestler verkündete, seiner Meinung nach sei die Menschheit verrückt. Er behauptete, daß der Mensch infolge einer mangelhaften Koordination zwischen den beiden Gehirnhälften – dem ‚rationalen‘ Neocortex und dem ‚instinktiven‘ Hypothalamus – auf irgendeine Weise den ‚einzigartigen, mörderischen, wahnhaften Hang‘ erwerbe, der ihn unvermeidlich zu Mord, Folter und Krieg antreibe“ (Bruce Chatwin, Traumpfade, 1987; Übers. A. Kamp, 1992, S. 397 von 544). Dieses Erkennen, dass Menschen ein altes instinktives Gehirn und ein neueres kognitives Gehirn haben, die sich wegen „einer mangelhaften Koordination“ zwischen den beiden „in den Haaren liegen“, war auf der richtigen Spur, den menschlichen Zustand zu erklären, die Frage zu beantworten, die Koestler aufgeworfen hat, wie wir „auf irgendeine Weise“ unseren „einzigartigen, mörderischen, wahnhaften Hang“, „erw[o]rbe[n]haben – aber nochmals, der versöhnende und erlösende gute Grund für die „mangelhafte Koordination“ wurde weder von MacLean noch von Koestler bereitgestellt.

 

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Das sind also einige der ehrlichen Denker, auf die in F. Essay 53 verwiesen wird, die die grundlegenden Instinkt-gegen-Intellekt-Elemente erkannt haben, die bei der Entstehung unseres psychologisch verstörten menschlichen Zustands involviert sind. Andere solcher Denker, auf die in F. Essay 53 verwiesen wird, sind Julian Jaynes, Christopher Booker, William Wordsworth, Ralph Waldo Emerson, William Blake, John Milton, Robert A. Johnson und Bruce Chatwin.

Orange quote mark

Als Ergebnis dieser Präsentation hoffe ich, dass ihr, die Zuhörer oder Leser, jetzt ein gewisses Verständnis dafür bekommen habt, warum wir die Ausrede der „wilden Instinkte“ verwenden mussten und jetzt zustimmen werdet, dass die Instinkt-gegen-Intellekt-Erklärung des menschlichen Zustands, die ich im vorherigen Video/​Essay vorgestellt habe, tatsächlich die offensichtliche und echte Erklärung des menschlichen Zustands ist. Und wenn sie diese jetzt so dringend benötigte versöhnende und somit psychologisch heilende und transformierende Erklärung für unser wütendes, egozentrisches und entfremdetes Leben ist – was sie eindeutig ist – dann könnt ihr, und alle anderen, diese erträumte Transformation eures Lebens, von einer am menschlichen Zustand leidenden zu einer fabelhaften vom menschlichen Zustand befreiten Situation genießen, die Tony Gowing im nächsten Video/​Essay (5), und ich in F. Essay 15 weiter beschreiben werde. Ja, das „unstillbare Heimweh am Grunde des menschlichen Herzens“ für die „Zusammengehörigkeit“, die „vor dem Anbruch des individuellen Bewusstseins“ bestand, über das Sir Laurens van der Post so wunderbar und wahrheitsgemäß geschrieben hat, kann endlich [ge]still[t] werden. Wie der große Dichter T. S. Eliot unsere menschliche Reise von Ignoranz zu Erleuchtung angemessen beschrieben hat: „Wir lassen niemals vom Entdecken / Und am Ende allen Entdeckens / Langen wir, wo wir losliefen, an / Und kennen den Ort zum ersten Mal.“ (Vier Quartette, 1942; Übers. N. Hummelt, 2015).

 

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Jeremys klarstellende und erlösende Erklärung des Unterschieds zwischen Instinkten und Intellekt wird kurz in Video/​F. Essay 3, sowie im Detail in Kapitel 3:33:4 von FREEDOM präsentiert.

 

 

Anmerkung, Wenn ihr online seid, könnt ihr DAS Interview jedes der folgenden Freedom Essays lessen, ausdrucken, herunterladen oder anhören (als Podcast), indem ihr auf sie klicken, oder ihr könnt alle unter www.humancondition.com finden.

Welche Publikationen ins Deutsche übersetzt wurden, seht ihr, wenn ihr HIER klicken

 

 

Diese Essays wurden 2017-2024 von Jeremy Griffith, Damon Isherwood, Fiona Cullen-Ward, Brony FitzGerald und Lee Jones vom WTM Center Sydney erstellt. Alle Dreharbeiten sowie die Bearbeitung der Videos wurden von den Mitgliedern des WTM Sydney James Press und Tess Watson zwischen 2017-2024 durchgeführt. Andere Mitglieder des WTM Center Sydney sind für den Vertrieb und das Marketing der Videos/​Essays sowie für die Unterstützung der Abonnenten verantwortlich. Die deutschen Übersetungen wurden vom WTM Austria übersetzt.